Zur Geschichte von Wustrow und seiner Kirche

Das
erzählt die Legende: vor weit mehr als tausend Jahren hat hier am Ort der Schimmel des Riesen Swantewit mit seinen Hufen den Hügel aufgeworfen, auf dem jetzt die Fischlandkirche Wustrow steht. Der Slawen-Gott Swantewit wurde von den Slawen verehrt als Kriegs-, Licht- und Fruchtbarkeitsgott. An unserer Seebrücke steht seine Statue mit den vier Köpfen und den vier Hälsen.
Sicher ist, dass auf dem Kirchhügel eine religiöse Andachtsstätte stand.  Der Hügel wurde von den Slawen künstlich aufgeschüttet. Vom „Swante Wustrowe“, der „Heiligen Insel“, erhielt unser Ort auch seinen Namen - Wustrow.
Die Christianisierung unserer Gegend begann im 12. Jahrhundert. Damals wurde hier die erste Holzkirche gebaut. Diese stand etwa 200 Jahre lang, bis vom Klarissenkloster in Ribnitz eine größere Feldsteinkirche gebaut wurde. Das Gebiet des Fischlandes gehörte damals als Geschenk des Fürsten Heinrich von Mecklenburg diesem Kloster. Das Fischland beginnt demnach am Permien in Höhe des heutigen Windrades am Ortseingang von Wustrow und endet am Grenzweg und Grenzgraben vor Ahrenshoop Beide Landmarken waren einst Mündungsarme der Recknitz, die das Fischland begrenzten. Am Permien versenkte die Hanse 1395 drei Schiffe, um sich der unliebsamen Konkurrenz aus den Häfen des Saaler Boddens zu entledigen. Das Fischland umfasst somit die Dörfer Wustrow mit Ortsteil Barnstorf sowie Niehagen und Althagen. Von der Höhe des Kirchturms ist der Permien als die schmalste Stelle zwischen Ostsee und Saaler Bodden gut zu überblicken.
Die alte Feldsteinkirche stand immerhin etwa 500 Jahre lang. Geprägt war das Leben auf dem Fischland damals von Seefahrt und Fischerei. Es war ein hartes Leben, als die Seeleute auf ihren kleinen Schiffen auf hoher See unterwegs waren. Meistens von Ostern bis zum Erntedankfest waren die Männer auf See, die Frauen mussten Haus, Hof und Kinder allein versorgen. In so genannten Partenreedereien befuhren die Wustrower Seeleute damals die Nord- und Ostsee sowie das Mittelmeer. Sie entwickelten sich zu einer ernst zu nehmen Konkurrenz zur Hansestadt Rostock. Mitte des 19. Jahrhunderts segelten immerhin 240 Schiffe unter Wustrower Flagge. Damals wurde der Permien von den Rostockern dauerhaft verschlossen, um den Ribnitzer Schiffern den Zugang zur Ostsee zu verwehren. Die Heimatschriftstellerin Käthe Miethe beschreibt diese Zeit sehr eindrucksvoll.
Als einziges Stück der alten Fischlandkirche ist die mittelalterliche Tauffünte erhalten geblieben. Sie wurde aus französischem Kalksandstein gefertigt. Ihre Größe ermöglichte die damals übliche Taufpraxis, wonach die Kinder gänzlich untergetaucht wurden, wie es heute noch in der griechisch-orthodoxen Kirche üblich ist. 1869 war diese Kirche so baufällig, dass sie abgerissen wurde. Am 1. August 1869 wurde in ihr der letzte Gottesdienst gefeiert, 3 Tage später brach in Wustrow ein verheerender Brand aus, bei dem 48 Häuser auf der Westseite der heutigen Durchgangsstraße abbrannten. (Vom Rundgang des Kirchturms ist der Unterschied zwischen dem alten und neuen Wustrow gut zu erkennen.) 1872 suchte die bis heute größte Sturmflut unseren Ort heim – der Kirchen-Neubau verzögerte sich erneut, bis schließlich am 14. September 1873 die Kirche geweiht werden konnte. Für die Gemeinde war dieser große Bau nicht finanzierbar, er wurde ihr vom Großherzog Friedrich Franz II geschenkt. 32.000 Taler kostete die Kirche, gerade mal 2000 bezahlte die Gemeinde selbst. Friedrich Franz wollte mit diesem Kirchen-Neubau auch seine Präsenz und Macht dem benachbarten Pommern gegenüber zeigen.
Die Kirche ist im neugotischen Stil errichtet, mit dem Kreuz als Grundriss, den Leib Christi symbolisierend. Beachtens-wert ist ihr hoher Turm, der den Seeleuten als gut erkennbares Seezeichen diente. Andere Kirchen in den Orten des Darß und Zingst durften solch hohe Türme nicht aufweisen, um Verwechslungen von See aus auszuschließen. Ungewöhnlich ist der Rundgang auf dem Kirchturm in 18 m Höhe. Er war wohl für die Seemannsfrauen gedacht, die von dort nach den Schiffen ihrer Männer Ausschau hielten, die oftmals in Höhe von Wustrow ankerten. Ganz sicher diente dieser Umgang aber den Schülern der 1846 gegründeten ersten deutschen Seefahrtschule für maritime Beobachtungen, die einen natürlichen Horizont erforderten. 
Mit der Kirche schenkte der Großherzog auch das Altarbild. Es verbindet  eindrucksvoll das Leben der Menschen auf dem Fischland mit der Geschichte aus dem Neuen Testament über die Rettung des sinkenden Petrus. Weitere Bezüge auf die seemännischen Traditionen sind die Votivschiffe und die mit großer Akribie erarbeitete Wustrower Chronik von Jochen Permien. Unter einer Leselampe an der Nordseite des Kirchenschiffes kann man darin blättern. Neben ihr steht die Büste eines Seemanns im Südwester und eine Gedenktafel für die auf See Gebliebenen. Die Buntglasfenster der Apsis brechen wunderschön das Sonnenlicht am Vormittag. Beachtenswert sind ihre oberen Abschlüsse mit den christlichen Symbolen A und O, dem Abendmahlskelch sowie dem Christuskopf. Die beiden großen Porträtbilder zeigen den Reformator Martin Luther (rechts) und seinen Mitstreiter Philipp Melanchthon. Auf der Nordempore entdeckt man ein Bild der über die Ortsgrenzen hinaus bekannten Wustrower Malerin Hedwig Woermann. Sie malte es 1928/29, es zeigt eine Krippenspielszene mit Wustrower Kindern. Die Zeit des Nationalsozialismus und der bekennenden Kirche wirkten auch in Wustrow. Ab 1933 versah der junge Pastor Hans Erich Hurtzig hier seinen Dienst. Anfangs ein Sympathisant der National-sozialisten, wandelte er sich zum Gegner des Regimes und machte seine Ablehnung des Krieges in Predigten öffentlich. Er wurde an die Ostfront versetzt und ist dort gefallen. Eine Gedenktafel an der Orgelempore mit Hurtzigs Konfirmations-spruch (Epheser 2,19-21) erinnert an ihn. So wie zur Zeit der Nazi-Diktatur war auch 40 Jahre später die Wustrower Kirche ein Ort der freien Diskussionen und der Abgrenzung zum allmächtigen Parteiapparat der SED.
1970 wurde die Orgel von der Firma Jehmlich aus Dresden eingebaut. Sie besitzt zwei Manuale, Pedal sowie 15 Register.
 Ist die Kirche während der Sommermonate zu Gottesdiensten und Konzerten gut gefüllt, versammelt sich die kleine Ortsgemeinde der Dörfer Dierhagen mit Dändorf und Neuhaus, Wustrow, Althagen und Niehagen während der Wintermonate in der beheizten Winterkirche. Diese wurde 1987 im Seitenschiff mit Hilfe der Partnergemeinde Cuxhafen errichtet.
Das Mauerwerk unserer Kirche ist starker Witterungs-Erosion ausgesetzt. Es müssen ständig beträchtliche Gelder der Landeskirche, der Bundesrepublik und vom Land Mecklenburg-Vorpommern sowie der eigenen Kirchgemeinde zur Instandhaltung aufgebracht werden.

Zahlreiche Grabsteine auf unserem Friedhof zeugen von der Verbundenheit mit der Seefahrt.


 
An E. Schütz, den ersten Direktor
der Seefahrtschule,wird  an der                                                                       zurück zu Fischlandkirche
Friedhofskapelle erinnert.